Wie gesund ist Shinrin-Yoku (dt. „Waldbaden“)?

Der Wald wirkt auf uns entschleunigend und tut uns gut. Eine in Japan schon lange anerkannte Therapieform macht gerade in Deutschland die Runde und findet immer mehr Anhänger. Das Waldbaden, ein internationaler Gesundheitstrend, hat seinen Ursprung in Japan, wo er in den 80er Jahren konzipiert wurde.

Dabei geht es nicht darum, im Wald etwa in einem See oder Fluss zu baden. Waldbaden bedeutet das bewusste Spazieren oder Wandern durch einen Wald oder die Natur, um den Bäumen näherzukommen.

1982 prägte das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei den Begriff Shinrin-Yoku. Er beschreibt den Kontakt mit der Atmosphäre des Waldes. 2012 wurde an japanischen Universitäten sogar ein eigener Forschungszweig für „Waldmedizin“ eingerichtet.

Japanische Universitäten bieten inzwischen eine fachärztliche Spezialisierung in „Waldmedizin“ an. Fünf Millionen Japaner nutzen heute schon die angelegten Wege des nationalen Erholungswaldes von Akasawa.

Der globale Oberwaldbademeister, wie ihn die „ZEIT“ nennt, Qing Li, eine Koryphäe der Waldmedizin, hat in mehreren Studien gemeinsam mit japanischen und koreanischen Kollegen gezeigt, dass schon ein kurzer entspannter Spaziergang durch den Wald Einfluss auf unsere Gesundheit hat. Qing Li ist Professor für Umweltimmunologie an der Nippon Medical School.

Der Wald als Seelentröster

Beim Waldbaden kommt der Sehnsuchtsort der deutschen Romantik zum Zug. Es ist schon lange bekannt, dass der Wald und die Natur auf viele Menschen eine beruhigende Wirkung haben. Der Wald tut uns gut. Er hilft uns gegen Depressionen, psychische Stressbelastungen und Burnout.

Aber er stärkt auch unser Immunsystem, kann uns vor ernsthaften chronischen Krankheiten schützen und sogar vor Herzinfarkt, schreibt der der österreichische Biologe und Buchautor Clemens Arvay. Britische Forscher haben ebenfalls nachgewiesen, dass ein Waldspaziergang beruhigend wirkt und dass Bewegung im Wald die Stimmung hebt und Stress abbaut.

Der Umweltpsychologe Marc Berman von der Universität Chicago bemerkte 2015 in einer Studie: Je weniger Bäume in einer Wohngegend stehen, desto höher ist das Risiko für typische Zivilisationskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Schwäche, Bluthochdruck oder Diabetes.

Der Wald, eine Art Medizin

Eine der frühesten Studien zur gesundheitlichen Wirkung des Waldes erschien 1984 im Wissenschaftsmagazin „Science“. Dort heißt es: Schon allein der Anblick von Bäumen wirkt auf Menschen messbar positiv. Und weiter: Patienten, die nach einer OP aus dem Krankenhausfenster ins Grüne schauten, wurden schneller gesund als die, die nur auf eine Hausmauer sahen. Die Patienten mit Baumblick benötigten zudem weniger Schmerzmittel.

Der in Deutschland sehr bekannte Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben ist sich sicher, dass der Wald wegen seines besonderen Klimas eine Art Medizin ist. „Der Blutdruck senkt sich, man wird entspannter, vor allem, wenn das ein intakter Wald ist.“

Die Heilkraft der Bäume

Aber wie ist man in Japan auf die Heilkraft der Bäume gekommen? Japan ist das einzige Land, in dem es mit dem Begriff Karōshi, einen eigenen Ausdruck dafür gibt, wenn sich Menschen regelrecht zu Tode arbeiten. Todesursache ist dabei oft ein durch Stress bedingter Herzinfarkt oder Schlaganfall. Das als „Modekrankheit“ verunglimpfte Massenphänomen Burn-Out ist so in Japan schon sehr frühzeitig im öffentlichen Bewusstsein angekommen, lange bevor man darüber bei uns gesprochen hat.

Das war der ausschlaggebende Grund für das japanische Landwirtschaftsministerium in Zusammenarbeit mit Ärzten, das Konzept des Shinrin-Yoku zu entwickeln. Vorrangig ging es darum, den Stress zu bekämpfen, der vielen Japanern das Leben kostete.

Tod durch Überarbeitung

Die berüchtigte japanische Arbeitsmoral hatte ihre Schattenseiten deutlich aufgezeigt. Die japanische Gesellschaft hatte ein Problem, das Wort „totgearbeitet“ machte seine Runde. Also wurde die Natur-Therapie immer wichtiger, denn schon seit den 50er Jahren wusste man, dass sich die Menschen, gerade die Großstädter in Nationalparks und Naturschutzgebiete flüchteten, um sich von der vielen Arbeit zu erholen.

Noch 2017 schockierte der Tod einer jungen Frau die japanische Öffentlichkeit, der sich bereits vier Jahre zuvor ereignet hatte und in der Folge auf Überarbeitung zurückgeführt wurde:

Eine 31-jährige Politikreporterin hatte 159 Überstunden in einem Monat angesammelt und war im Juli 2013 tot in ihrem Bett gefunden worden. Ein Jahr danach stellten die japanischen Behörden fest, dass ihr Tod mit Überarbeitung zusammenhänge. Sie hatte in dem Monat vor ihrem Tod nur zwei Tage frei gehabt. Aber erst vier Jahre nach ihrem Tod hatte ihr Arbeitgeber das öffentlich gemacht.

Nun sind aber im Zug der Globalisierung auch in Deutschland die Arbeitsbelastung und der Stress deutlich angestiegen. Daher könnte das Waldbaden hierzulande ebenfalls an Bedeutung gewinnen, auch in medizinischer Hinsicht. In Japan wird die medizinische Wirkung von Shinrin-Yoku schon seit den 1990er Jahren intensiv wissenschaftlich begleitet und gilt als gut erforscht. Schon 1990 hat Miyazaki Yoshifumi, Professor und Direktor des Zentrums für Umwelt, Gesundheit und Feldforschung an der Universität Chiba, in einer Studie den Zusammenhang zwischen längeren Aufenthalten im Wald und der reduzierten Zahl von Stresshormonen herausgefunden.

In Japan gibt es, wie auch in Südkorea, mittlerweile regelrechte Heilwälder. Shinrin-Yoku ist eine anerkannte Therapieform. Ärzte verschreiben ihren Patienten sogar einen mehrtägigen Aufenthalt im Wald. Man geht davon aus, dass die Atmosphäre des Waldes positive Auswirkungen auf die körperliche und mentale Gesundheit hat.

Auch werden geführte Shinrin-Yoku Exkursionen angeboten, um zu lernen, wie man sich bewusst auf die Natur einlassen kann. In Japan bietet sich das Waldbaden förmlich an, denn 67 Prozent der Landfläche Japans besteht aus Waldfläche.

Als Beispiel: In Deutschland sind nur 32 Prozent der Gesamtfläche des Landes – 11,4 Millionen Hektar – mit Wald bedeckt. Damit hat Deutschland zwar abgesehen von Russland die größte Waldfläche Europas, aber der allergrößte Teil besteht aus Nutzwäldern, die sich nicht als Heilwälder eignen. Aber besser als nichts, meinen wir.

Grüne Heilung bald auch in Deutschland?

Es hat zwar lange gedauert, aber nun werden auch in europäischen und deutschen Wäldern Studien durchgeführt, wobei berücksichtigt wird, dass sich die vorherrschenden Baumarten hierzulande deutlich von den Wäldern Japans und Südkoreas unterscheiden.

In Bayern wird unter der Führung des Bayrischen Heilbäder-Verbandes (BHV) in Bad Endorf ein Feldversuch durchgeführt, der durch eine wissenschaftliche Studie der Ludwig-Maximilian-Universität München, die die medizinische Wirkung des Waldbadens untersucht, begleitet wird.

Das Ziel ist, die Erstellung eines Katalogs für die Nutzung des Waldes und über Voraussetzungen von Heil- und Kurwäldern in Deutschland. Das gibt Hoffnung, dass vielleicht schon in naher Zukunft das Waldbaden von Ärzten auch bei uns verschrieben werden kann, die Japaner sind uns da ja weit voraus.

Aber solange müssen wir nicht warten, regelmäßige Spaziergänge in einem nahegelegenen Wald, den Vögeln zuhören und am besten noch mit einem plätschernden Bach neben dem Spazierweg werden Sie schnell runterbringen und den Stress abbauen.

Schützt Waldluft auch vor Krebs, fragt „Zeit-Online“ in einem Artikel. Die Antwort kommt aus Japan:

Bei einem Waldspaziergang atmen wir Stoffe ein, mit denen Pflanzen untereinander Botschaften austauschen – sogenannte Terpene. Sie stärken unser Immunsystem. Für eine Studie der Nippon Medical School in Tokio quartierten die Forscher zwölf Testpersonen in einem Hotel ein. Bei der einen Hälfte wurde die Atemluft in der Nacht mit einem Mix aus Waldluft angereichert. 

Am nächsten Tag wiesen die Blutproben genau dieser Teilnehmer eine deutlich höhere Zahl und Aktivität der körpereigenen Killerzellen auf. Für Studienleiter Professor Qing Li eine bahnbrechende Erkenntnis.

„Mein Experiment hat gezeigt, dass die Terpene Immunzellen wie die natürlichen Killerzellen stimulieren, und das verstärkt die Wirkung der Immunfunktion“, sagt er. „Wer einen Tag im Wald verbringt, hat sieben Tage lang mehr natürliche Killerzellen im Blut.“ Der Pionier der Waldmedizin hofft, dass sich mit der Kraft der Bäume vielleicht sogar Krebserkrankungen verhindern lassen.“ Vielleicht können Ärzte in Zukunft den Wald als Medizin verschreiben“, sagt er. Laut WHO haben die Menschen in Japan schon heute die höchste Lebenserwartung weltweit.

Fazit: Ab in den Wald und bleiben Sie gesund!

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